Freundesbrief 2022: Zum Geleit

Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat, Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. (Hebräer 10, 35-36)

Von Sr. Helga Köhler am 1. August 2022


Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Freundinnen und Freunde unserer Schwesternschaft

Werft eure Zuversicht nicht weg.
Vertrauen – Geduld – Verheißung.
Dieses war voriges Jahr der Leitfaden für unsere beiden Retraiten. Heute fällt es mir mit Blick auf den Krieg in der Ukraine schwer von Vertrauen,
Geduld und Verheißung zu sprechen. Die erschreckenden Nachrichten von Zerstörung und Leid und Flucht, von gescheiterten Verhandlungen
und politischer Verhärtungen machen mich, machen uns betroffen. Angst, Bestürzung, Ohnmacht und Wut drängen sich in den Vordergrund.



Das Mittagsgebet unserer Schwesternschaft liegt mir in diesen Tagen besonders am Herzen. „Jesus Christus, du bist der Friede, der die Welt durchdringt und verwandelt: Schaffe dir Raum in uns und durch uns.“ Mir fällt auf, wie schnell sich Angst, Wut oder Ohnmacht in mir Raum verschaffen. In diesen Gefühlen fällt es schwer, mich dem Frieden entgegen zu strecken und gerade dann ist es mir wichtig, diesem Gebet treu zu bleiben. Gegenüber den erschreckenden Bildern des Krieges scheint unser Beten sehr klein. Die Bilder fordern uns heraus, ohne sichtbare Zeichen an den Frieden Christi zu glauben, uns nach ihm zu strecken und ganz im Vertrauen zu versuchen ihn zu leben.

Die Beiträge unseres Freundesbriefes befassen sich mit der Parrhesia im weitesten Sinn. Frei zu denken und auszusprechen, was einem bewegt und beschäftigt, wie es Schwester Renate und Schwester Erika in ihren Beiträgen schreiben, ist wohl für jede Gemeinschaft ein großes Übungsfeld. Dem versuchen wir Schwestern von Ordo Pacis uns immer wieder neu zu stellen. In der Zusammenarbeit unserer verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen sich unsere Struktur der Schwesternschaft aufstellt, sind wir darauf angewiesen, gut aufeinander zu hören und frei zu sagen welche Erkenntnisse jeweils gewachsen sind.

Vor Jahren wurde das Modell der „einsamen“ Leitenden Schwester zu Gunsten eines gewählten Schwesternrates abgelöst, und es ist mir in meiner
jetzt erst einjährigen Amtszeit als Leitende Schwester eine Freude wahrzunehmen, dass die Umsetzung dessen, was wir seit Jahren anstrebten,
mit einer gewissen Leichtigkeit gelebt wird. Wir arbeiten in unserem Leitungsgremium (der Schwesternrat besteht aus vier Schwestern) selbständig in verschiedenen Bereichen und ergänzen einander.



Schwester Katharina als Zuständige für die hereinwachsenden Schwestern, koordiniert regelmäßige Postulats- und Probeschwestertreffen und
trägt dafür Sorge, dass die Hereinwachsenden ihre Berufung weiter erspüren und erkennen, ob ihr Weg sie in unsere Schwesternschaft führt.
Schwester Irene hat die Aufgabe der Kommunikation und Vernetzung unter uns Schwestern und die Verbindung zu anderen Gemeinschaften
übernommen. Eine Aufgabe, die durch die Pandemie viel Kreativität und auch technisches Können erfordert.
Meine Stellvertreterin Schwester Angelika, hilft insbesondere die anfallenden Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Außerdem ist
sie das Verbindungsglied zur Retraitgruppe, in der sie mitarbeitet.



Unsere Struktur besteht nicht nur aus dem Schwesternrat als Leitungsgremium. Das Leitungsgremium (Schwesternrat) wirkt in allen anfallenden
Aufgaben zusammen mit dem Vorstand des Vereins (Ordo Pacis e.V.), dem Rat unseres Hauses der Stille und Begegnung in Fleestedt, der
Retraitgruppe, der Freundesbriefredaktion und unserm Büro, sowie mit einzelnen Schwestern, die Aufgaben übernommen haben.



Wie Ihr lest, liebe Schwestern und Brüder, Freunde und Freundinnen komme ich fast ins Schwärmen, wenn ich von unserer Struktur schreibe.
Zu unserer Struktur gehört auch, dass wir als Gemeinschaft eine Begleitende Pastorin oder einen Begleitenden Pastor als Vertreter der Kirche als
Gegenüber haben.
Diesen Dienst übt seit 2009 Frau Dr. Alexandra Dierks mit viel Engagement und Kompetenz in unserer Schwesternschaft aus. Eine gute, lange
und fruchtbringende Zeit, für die wir ihr sehr dankbar sind. Fast in jedem Freundesbrief erschien seitdem ein Artikel aus ihrer Feder, wie auch in
der vorliegenden Ausgabe. Geplant war, sie auf unserem Jahreskonvent am Sonntag Exaudi zu verabschieden. Als Militärseelsorgerin wurde sie
aber zu einem Auslandseinsatz nach Litauen abberufen. Unsere Gedanken und Gebete begleiten sie. Wir planen ihre Verabschiedung im Herbst in einem Gottesdienst in unserem Haus der Stille und Begegnung in Fleestedt. Eine Nachfolgerin oder Nachfolger können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht benennen. Wir sind aber getrost und ganz offen für Gottes Möglichkeiten.



Von unserem Jahreskonvent gibt es noch die freudige Nachricht mitzuteilen, dass wir in diesem Jahr zwei Schwestern einsegnen konnten. Wir
sind dankbar dafür, werden wir doch durch jede der Hereinwachsenden auf besondere Art bereichert. Sind wir um zwei Schwestern gewachsen, mussten wir doch auch zwei Schwestern in Gottes Hände hinein loslassen. Schwester Ruth Madeheim und Schwester Susanne Nellmann verstarben beide im März dieses Jahres. Schwester Ruth Madeheim gehörte seit 1971 unserer Gemeinschaft an. Schwester Susanne Nellmann wurde 1955 eingesegnet und legte 1975 ihre Profess ab. Viele von Ihnen werden diese Schwestern gekannt haben. Wir werden sie in unseren Herzen und Gedanken in liebevoller Erinnerung behalten.



„Alles Geschehen ist gezeichnet von Dir, immer bist Du die Mitte.“
Unter diesem Satz aus unserem Rückgabegebet trafen wir Schwestern zu unserem Jahreskonvent zusammen.

Auch diese Worte sind in der jetzigen Zeit schwer zu beten und doch stellen sie uns immer wieder in Gottes Gegenwart: egal was geschieht,
DU bist da, DU bist größer, DU bist der Anfang und das Ende.



So wünsche ich Ihnen allen und denen die zu Ihnen gehören, die Erfahrung von Gottes liebender Gegenwart.



Ihnen herzlich verbunden,
Ihre Schwester Helga Köhler


Der gesamte Freundesbrief ist im Freundesbrief-Archiv zu finden.

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