Maria Hladky

Jahrgang 1924, wohnhaft in Wien, Rentnerin, eingesegnete Schwester seit 1980

Maria Hladky

Da bin ich nun wieder in Wien in meiner kleinen, hellen Mietwohnung, ganz nahe der Gegend, in der ich als Kind aufgewachsen war.

„Wieder“ – das denke ich immer noch manchmal mit einem leisen Wundern. Denn als ich 1980 von hier aufbrach, um in die Kommunität von Ordo Pacis, in die Cella St. Hildegard in Hamburg, als Postulantin einzutreten, da hatte ich Abschied genommen von allem, dem ich so fest verbunden war: vom geliebten Beruf, von Angehörigen und Freunden, von dem eigenen Lebensstil – mit dem Wissen: für immer! Warum? Das ist kaum in Worte zu fassen, die logisch nachzuvollziehen sind. Ich versuch es „vom Rande her“ und das ist nur eine Einsicht:

Im Morgengebet von uns Schwestern bekennen wir: „Leib, Seele und Geist – zu Deiner Verfügung“.

Ich war in den verschiedenen Aufgabengebieten in unsrer kleinen Diasporakirche in Österreich immer in bestimmenden Stellungen und mehr oder weniger autonom trotz aller guten beruflichen und freundschaftlichen Beziehungen. Das verbindliche gemeinsame Leben schien mir anders zu sein, mehr zu fordern, nämlich: den eigenen Willen nicht durchzusetzen, sondern einzufügen in die Gedanken und Entscheidungen der Mitschwestern; es erforderte, alles, was man hatte an äußerem und innerem Vermögen vorbehaltlos herzugeben in ein gemeinsames Können und Haben.

Konnte das Antwort sein auf ein Suchen und Fragen? Oder eine Art „Verwirklichung“ des Gebets?

Ein andrer Anstoß: Von der ersten Begegnung an mit Ordo Pacis, „Gemeinschaft des Friedens“, war ich angesprochen: Brücken bauen, Hände reichen – das war mir vertraut. Nun, im alltäglichen Gemeinschaftsleben lernte ich sehr schnell die „tiefere Schicht“: Die anderen wahrnehmen in ihrem jeweiligen So-sein, aufmerksamer und achtsamer miteinander umgehen lernen, das allein stiftet Frieden. Und weil damit auch mein eigenes Selbstbild sich nach und nach veränderte, entdeckte ich neu als den tragenden Grund der Gemeinschaft das ständige gemeinsame Gebet, das nicht abhängig ist vom eigenen Gemütszustand!

Als ich nach Beendigung des kommunitären Lebens nach 24 Jahren wieder nach Österreich kam, hatte sich natürlich die kirchliche Landschaft auch verändert; andere Menschen waren am Werk. Das hatte ich natürlich gewusst, aber das Fühlen braucht länger bis zum vollen Ja! Die guten Beziehungen von früher wachten sehr schnell wieder auf und sind ein starkes, verlässliches Netz.

Und unvermutet bald kam die Einladung, in der Krankenhausseelsorge im AKH mitzuarbeiten!

Ich besuchte die evangelischen Patienten in „meinen“ Stationen. Welch eine Situation! Gesund, frei im Kommen und Gehen begrüßte ich unbekannte Menschen, die krank, im Bett liegend, waren, dem Krankenhaus-Dasein ausgeliefert. Für wenige kam ich ausdrücklich gewünscht oder erwartet, bei den meisten Patienten empfing mich Erstaunen und Überraschung, nur vereinzelt Ablehnung. Anzubieten hatte ich nur einen Gruß von ihrer Kirche, Zeit und die Bereitschaft, ihnen zuzuhören.

10 Jahre lang. Dann wusste ich deutlich: es ist genug und ich hörte auf.

Es gibt jedoch immer noch Leute, die wissen, dass die Tür zu meiner Wohnung für sie offen steht und das Telefon! „Hast du ein bisschen Zeit für mich?“ trifft auf ein offenes Ohr, Hirn und Herz. Solches und die Nachrichten aus aller Welt lassen mich oft seufzen: „Gott! Schau dir das an! Lass deine Augen offen stehen über all der Not, sende deinen Geist, erbarme dich!“

Für mich selbst wird ein Gebet aus dem thüringischen Kirchengesangbuch immer gegenwärtiger:

Offen sein für das Kommende
Trotz allem, was ich geworden bin bis jetzt, lässt sich nicht sagen, wer ich vor DIR sein werde
am Ende meines Lebens. Der Tod steht noch aus.
Offen ist, wie viel Zeit zum Leben DU mir noch geben wirst, mein Gott.
Was ich in dieser Zeit noch tun, noch entscheiden muss, durchkämpfen, erleiden
– was mir zur Freude, zum Kummer werden wird, zur Ernte, zum Fest – es ist noch offen.
Immer noch werde ich. Selbst am Ende des Lebens fang ich neu an.

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