Schwesternstimmen
Ja, das ist eine schwierige Frage. Ich spüre in mir in diesen aktuellen Krisenherden unserer Welt ganz viel Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit. Meine Art des Gebetes ist seit vielen Jahren das stille Sitzen in der Kontemplation. Meine Gefühle hinsichtlich der aktuellen Situation kann ich nur immer wieder neu in dieser Stille Gott hinhalten. Alle die Menschen und Bilder, alles das, was mich da bewegt, lege ich immer wieder neu Gott betend in die Hände. Gebet umfasst für mich auch mein ganzes Leben, insofern heißt Leben im Gebet für mich auch, mein Tun und Lassen vor Gott bewusst wahrzunehmen und ihm hinzuhalten. Und hier merke ich auch in mir einiges an Unversöhntheit mit verschiedenen Dingen und Situationen. Ich denke, ich kann nicht von anderen Menschen Frieden erwarten, wenn ich selbst nicht bereit bin, mit meinen Möglichkeiten in meinen Situationen Frieden zu schaffen. Das ist allerdings zum Teil wirklich innere Arbeit. Das ist eine Auseinandersetzung auch mit meinen schwierigen Anteilen. Gebet heißt für mich dann auch, mich dieser inneren Arbeit auszusetzen und mich Gott damit hinzuhalten in meiner Unversöhntheit.
Schwester Petra Maria Gerber
Ich sitze manchmal in der Kirche, wenn mir mal wieder alles zu viel wird. Es ist kalt, aber das ist mir egal. Ich schaue zum Altar und denke: „was für eine Zeit.“ Dann schließe ich meine Augen und komme zur Ruhe.
Manchmal denke ich über die heutige Zeit nach und die ganzen Streiks der Bauern und der Bahn und so und mache mir Sorgen über ständig steigende Preise. Wo soll das alles noch hinführen?
Ich lege dann meine Gedanken in Gottes Hände und bete für eine bessere Welt. Ich habe Vertrauen zu Gott und weiß, dass er immer bei mir sein wird. Und das gibt mir Mut und Zuversicht.
Schwester Silvia Hameister
Ich wurde gebeten, etwas darüber zu schreiben, ob sich mein Gebet durch die vielen Katastrophen, die in den Medien auf uns einströmen, geändert hat. Dazu möchte ich sagen, dass sich meine Gebetszeit nicht geändert hat. Aber das Leid der vielen Menschen, die unter Kriegswirren zu leiden haben und von Naturkatastrophen heimgesucht werden, belastet mich sehr. Ich habe sie im Blick. Ich bete, wie viele andere Menschen auch, dafür, dass Lösungen gefunden werden, die zum Frieden führen können. Mir ist das Wort von Reinhold Schneider im Sinn: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Unheil in der Welt abzuwehren.“ Dies schrieb er ja schon vor dem Zweiten Weltkrieg … Im Gebet versuche ich, all das Gott hinzuhalten und mich Seinem Frieden zu öffnen.
Schwester Monika Grau
Wie beeinflusst die aktuelle Situation mein Beten? Meine erste Reaktion auf die unfassbaren Nachrichten, die Bedrohung von Menschen, das Zerstören und Töten ist zunächst oft ein Verstummen. Es verschlägt mir die Sprache, weil es unaushaltbar ist. Aber diese Reaktion hilft auf Dauer nicht. Sie führt zu einer inneren Versteinerung, die mich verhärtet, gefühlslos macht und mir die Luft zum Atmen nimmt. So suche ich, immer wieder neu, nach einem anderen Weg. Ich schütze mich vor einem überschwemmt Werden von Bildern und Informationen, ohne der Realität auszuweichen. Ich suche nach Worten für das, was geschieht – erlaube mir, emotional zu reagieren, damit ich nicht in den Tränen ersticke. Ich halte alles Gott hin, versuche das Unaussprechliche an Gott loszulassen. Manchmal erlebe ich dann, dass etwas Hoffnung aufflammt. Ich bin nicht allein mit dem allen, was mich überfordert. Manchmal bleibe ich in einem Gefühl von Ohnmacht stecken: es ist alles so komplex und undurchschaubar. Ist es nicht eine Illusion, dass Gott vor Übel bewahrt? Warum geht es mir so gut und nicht der Palästinenserin im Gaza Streifen oder dem Ukrainer? Wenn ich dieser Gedankenspirale nicht widerstehe, dann hätten die Kriegstreiber schon gewonnen. Ich erinnere mich an Menschen, die in bedrohten Situationen nicht aufgaben – ob Paul Gerhardt mit seinen Liedern im 30jährigen Krieg oder Viktor Frankl im KZ. Ich finde zum „Trotzdem“.
„Nein ich lasse mir nicht meine Hoffnung auf Gewaltlosigkeit zerstören.“
„Nein, ich lasse mir nicht die Sicht darauf verstellen, dass Menschen achtsam miteinander umgehen können.“
„Nein, ich höre nicht auf, mich auf meine Art zu engagieren, und bin nicht bereit, den Kopf in den Sand zu stecken.“
Zu diesem Trotzdem zu gelangen, erlebe ich als Geschenk Gottes, als geistliche Auseinandersetzung, als eine Form von Widerstand. Im Advent hörte ich: Beten heiß: Hoffnung aus dem Himmel holen. Davon will ich nicht ablassen.
Schwester Margrit-Sophia Vogler
Am 7. Oktober habe ich an einem Quartierfest bei mir in Herrenberg teilgenommen. Das schreckliche Massaker der Hamas in Israel ist dann erst langsam bei mir angekommen; es brauchte, bis ich das in der ganzen Tragweite mehr und mehr bei mir ankommen lassen konnte! Wie wahrscheinlich sehr viele Menschen begegnete ich vor allem meiner Ohnmacht, meiner totalen Hilflosigkeit, ja und auch meiner Wut! Letztere auf die Hamas, aber nicht nur, sondern auch auf die israelischen Regierung, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten keinerlei Offenheit und Schritte im Blick auf eine Lösung für beide Seiten gezeigt hat und dabei – vom Volk gewählt – mehr und mehr nach rechts rückte!
In den 1960er bis Anfang der 70er Jahre lebte und arbeitete ich ja auf beiden Seiten. Zuerst mit einer Gruppe von Aktion Sühnezeichen in Israel. Nach dem 6-Tage Krieg 1967 sollte dann eine Schwester-Organisation von ASZ ein längerfristiges Projekt in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten beginnen und ich war, von Mai 68 bis Ende 71 wieder mit dabei. Man wollte auf beiden Seiten unter den Menschen leben und arbeiten.
Das alles ist jetzt lange her! Dass ich aber dann schließlich bei Ordo Pacis landete hängt mit dieser Vorgeschichte eng zusammen.
Wie diese aktuelle Situation jetzt mein Beten (und mein Leben) beeinflusst?
In dem stillen Dasein vor Gott begegnete ich über lange Strecken so viel innerer Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ungeduld: mit uns Menschen, einschließlich mir selbst. „Warum sind wir so unfähig, Schritte in Richtung Versöhnung und Frieden zu tun?“ Klar war: Ich will, muss, kann gar nicht anders als dableiben (besonders in meinen Zeiten der Stille) wie auch sonst. Aber doch: Gott war, Gott ist, nicht immer, und doch irgendwie Da!
Immer wieder hilft es mir, jüdische und auch palästinensische Stimmen zu hören/zu lesen. Es sind Stimmen von Menschen, die sich ein Leben lang auseinander gesetzt haben, im direkten menschlichen Kontakt und im Hören auf die Leidensgeschichte der anderen Seite:
„Der Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari, Professor an der Hebrew University in Jerusalem, wandte sich in mehreren Botschaften an die Deutschen und an andere Völker und sagte, Israelis und Palästinenser hätten gemeinsam, dass sie jetzt versunken seien im eigenen Schmerz. Es sei praktisch kein Raum für Mitleiden mit den anderen vorhanden, weder auf der einen noch auf der anderen Seite des Konflikts. Deshalb sei es besonders wichtig, dass andere Menschen Empathie für beide Seiten aufrecht erhielten.“1 Der Theologe Martin Leiner schreibt: „Nur gemeinsam führen Empathie und Hoffnung zu Versöhnung und Frieden. … Menschen müssen sich dazu entscheiden, den langen Weg der Versöhnung zu gehen. … Wenn sie wirklich geschieht, ist sie immer ein Geschenk, das größer ist als wir selbst.“2
Ami Ajalon, früherer Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes, der eine palästinensisch-israelische Friedensinitiative mit gegründet hat, sagt: „Wer keine Hoffnung hat, ist unberechenbar… Man muss den Menschen eine bessere Idee anbieten. Und das wäre bei den Palästinensern die Möglichkeit eines eigenen Staates, und zwar nicht irgendwann, sondern erreichbar in ihrem Leben.“3
Schwester Waltraut Eberhardt
Gebet um den Frieden
Dieses Gebet stammt aus einer Andacht, die unser begleitender Pastor, Dr. Johannes Goldenstein, am 9. Oktober 2023 im Kirchenamt der EKD gehalten hat.
Allmächtiger Gott,
Fürst und Herr des Lebens,
taufe uns mit deinem Frieden.
Wir brauchen Frieden, in Nahost, in der Ukraine, in Südsudan
und in so vielen Regionen unserer Welt.
Gegen unsere Ängste preisen wir Gottes Macht.
Gegen Selbstgefälligkeit und Hass preisen wir die Liebe Christi.
Gegen Sinnlosigkeit und Gewalt
preisen wir die verwandelnde Gegenwart des Heiligen Geistes.
Wir gedenken aller, die durch Gewalt vertrieben wurden,
die in Flüchtlingssiedlungen Ruhe und Frieden suchen,
die nicht mehr wissen, was sie tun sollen,
weil Schmerz und Tränen ihr tägliches Brot geworden sind.
Gib denen, die ungerechte Gewalt ausüben, die Einsicht,
dass ein gutes Leben ein gemeinsames Leben ist.
Gott, lass uns Frieden stiften und nicht den Krieg fördern.
Lass uns versöhnen und nicht beitragen zu Spaltungen
zwischen Menschen, Gruppen und Völkern.
Erneuere unsere Herzen und Hände mit deiner Liebe und Barmherzigkeit.
Hilf uns, nicht nur über Frieden zu reden,
sondern mit aller Kraft für ihn zu arbeiten.
Gott, lass deinen Frieden einkehren in unsere Familien,
in unsere Kirchen und in unsere Welt.
Mache uns zu Werkzeugen deines Friedens,
wo immer wir sind und was immer wir tun. Amen.